Jakob Kaiser

 

 

Zeittafel zum Lebenslauf Jakob Kaisers

 

  08. Februar 1888        in Hammelburg geboren
1894 – 1901                  Volksschule in Hammelburg
1901 – 1904                  Buchbinderlehre beim Vater mit Gesellenprüfung als Abschluss
1904                              Buchbinderfachschule in Schwiebus/Schlesien; Eintritt in den
                                      Gesellenverein Adolf Kolpings
1904 – 1912                  Buchbindergeselle in Hammelburg, Feldkirch/Vorarlberg;
                                      seit 1906 in Nürnberg; seit 1906 Mitgliedschaft im Graphischen
                                      Zentralverband der Christlichen Gewerkschaften in Nürnberg
                                      sowie im Volksverein für das katholische Deutschland
1908 – 1910                  Militärdienst
1912                              Teilnahme am Großen Kurs des Volksvereins für das
                                      katholische Deutschland in Mönchen-Gladbach; danach
                                      Wahl zum Sekretär des Kölner Kartells der Christlichen
                                      Gewerkschaften
1913                              als Arbeitervertreter Mitglied des Vorstands der Kölner
                                      Zentrumspartei
1914 – 1917                  Kriegsdienst an der West- und Ostfront; danach Wiederauf-
                                      nahme seiner Funktionen als Leiter des Kölner Kartells der
                                      Christlichen Gewerkschaften (in Verbindung mit Aufgaben für
                                      das Kriegsernährungsamt Berlin)
1918                              Jugendleiter der Christlichen Gewerkschaften; Stellvertretender
                                      Vorsitzender der Zentrumspartei Köln; Mitglied des Arbeiter-
                                      Soldatenrats Köln; Heirat mit Therese Mohr (1889 – 1952)
1919                              seit Juli Geschäftsführer am Generalsekretariat der Christlichen
                                      Gewerkschaften in Berlin
1924                              Landesgeschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften für
                                      Rheinland und Westfalen
1925                              Einrichtung des Bildungs- und Erholungsheims "Unser Haus"
                                      in Königswinter (das spätere "Adam-Stegerwald-Haus")
1928                              Mitglied des Geschäftsführenden Reichsvorstandes der
                                      Deutschen Zentrumspartei
1933                              im März Reichstagsabgeordneter
1934 – 1944                  Zusammen mit Wilhelm Leuschner und Max Habermann
                                      (seit 1935) Organisierung des antifaschistischen Widerstandes;
                                      Paßentzug; Einsatz für ehemalige Gewerkschaftskollegen
1938                              mehrmonatige Haft
1945                              Mitbegründer und erster Vorsitzender der CDU der Sowjeti-
                                      schen Besatzungszone Deutschlands
1947                              am 20. Dezember Enthebung vom Amt des CDU Vorsitzenden
1948/49                        Mitglied des Parlamentarischen Rates
1949                              Vorsitzender der Sozialausschüsse der CDU
1949 – 1957                  Mitglied des Deutschen Bundestages; Bundesminister für ge-
                                      samtdeutsche Fragen; stellvertretender Vorsitzender der CDU
1950                              Gründer und Vorsitzender der Exil-CDU
1953                              Heirat mit Dr. Elfriede Nebgen (1890 – 1983)
1954                              Gründung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland
1958                              Ehrenbürger von Berlin und Homburg/Saar
07. Mai 1961                gestorben in Berlin

 

 

Jakob Kaiser – Biografie

1. Kindheit und Jugend 

Jakob Kaiser wurde am 08. Februar 1888 in Hammelburg geboren, als zweitältestes Kind von Johann und Elisabeth Kaiser; das Ehepaar hatte 10 Kinder, 5 Knaben und 5 Mädchen. Sein Vater war Buchbindermeister und Stadtkämmerer, zudem ein enger Vertrauter des 1900 nach Hammelburg gekommenen Kaplans und späteren Stadtpfarrers Johannes Martin.

Der kleine Jakob wuchs in einem katholischen Umfeld auf, und in seinem christlich geprägten Elternhaus lernte er früh Verantwortung für seine Mitmenschen und für sich zu übernehmen. O. e. Kaplan Johannes Martin festigte die wirtschaftlichen Verhältnisse vieler Hammelburger Familien, indem er einen Darlehenskassenverein, einen Obstbauverein und eine Winzer- und Lagergenossenschaft gründete. Jakobs Vater war lange Jahre Vizepräses und Kassenverwalter des katholischen Gesellenvereins; somit kam der Sohn früh mit dem Kolpingverein in Kontakt und wurde von der Mitarbeit darin weitgehend geprägt. Dieses Miterleben sozialer Hilfe blieb für ihn ein ganzes Leben lang richtungsweisend.

Als sehr guter Schüler schickten seine Eltern Jakob auf die Hammelburger Lateinschule, die er jedoch nach drei Monaten verließ, weil er mit seinem Lehrer über eine historische Frage in Streit geriet. Dabei setzte der Lehrer die Arbeit seines Vaters so sehr herab, dass sich Jakob maßlos ärgerte und beschloss, die Schule nie wieder zu besuchen. Somit absolvierte Jakob die Volksschule und eine dreijährige Fortbildungsschule mit ausgezeichneten Ergebnissen. Danach erlernte er im heimatlichen Betrieb das Buchbinderhandwerk.

 

2. Wanderschaft

1904 – nach dreijähriger Lehrzeit – verließ Jakob Kaiser seine Heimatstadt und ging nach Schwiebus (Schlesien); da gab es eine Buchbinderfachschule, und dort trat er ebenfalls in den Gesellenverein ein. Nach eineinhalb Jahren Ausbildung zog er nach Feldkirch in Vorarlberg, und wieder ein Jahr später, 1906, kam er nach Nürnberg. Dort arbeitete er in der Großbuchbinderei Arndt und Kaltmaier. In der zunächst fremden Großstadt fand er Geborgenheit und Rückhalt natürlich im Kolpingverein. Jakob Kaiser spürte sehr schnell, dass neben der Bildungs- und Schulungsarbeit im Gesellenverein zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse vor allem auch den Gewerkschaften eine bedeutende Aufgabe zukommt. So trat er 1906 in Nürnberg den christlichen Gewerkschaften bei, und zwar dem Grafischen Zentralverband.

 

3. Der Gewerkschafter

Während seiner Militärzeit von 1908 – 1910 reifte wohl in Jakob Kaiser der Entschluss, sich voll und ganz in die Christlichen Gewerkschaften einzubringen, um die sozialen Probleme im Staat zu lösen. 1912 – er war inzwischen Buchbindermeister – meldete er sich für einen speziellen Gewerkschaftskurs in Mönchengladbach an. Dort lernte er unter anderem den Generalsekretär der Christlichen Gewerkschaften Adam Stegerwald kennen, mit dem er in Zukunft noch viel zu tun haben sollte. Jakob Kaiser fiel bei diesem Kurs durch sein besonderes Interesse und seine hervorragenden Leistungen auf, so dass er vom Kölner Kartell der Christlichen Gewerkschaften gebeten wurde, einen Vortrag zu halten. Jakob Kaiser überzeugte so sehr, dass er in Köln zum Kartellsekretär gewählt wurde, und damit ging sein Wunsch in Erfüllung: Aus dem Handwerk wurde ein hauptberuflicher Gewerkschafter, der sein Leben ganz in den Dienst der Arbeiterschaft stellte.

Nach dem 1. Weltkrieg, an dem Jakob Kaiser teilnehmen musste (er erlitt zwei Verwundungen und erhielt wegen seinen tapferen Einsätzen mehrere Auszeichnungen, u. a. EK I und EK II), wurde Jakob Kaiser 1918 Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Christlichen Gewerkschaften, zunächst in Köln und seit 1921 in Berlin. Von 1924 – 1933 war er wieder in Köln und leitete die Landesgeschäftsstelle der Christlichen Gewerkschaften für Westdeutschland. So war Jakob Kaiser zusammen mit Adam Stegerwald deren führender Repräsentant.

 

4. Der Widerstandskämpfer

Jakob Kaiser war Mitglied der Zentrumspartei, und bei den schon nicht mehr ganz freien Wahlen zum Reichstag am 05. März konnte er ein Mandat gewinnen. Das Mitglied des Reichstages Jakob Kaiser, das sich nach langem inneren Ringen wider besserer Einsicht der Fraktionsdisziplin unterwarf, stimmte am 16. März 1933 für das Ermächtigungsgesetz; er wird diese bittere Erfahrung niemals vergessen. Noch im selben Jahr weigerte er sich das von den Nazis geforderte Unterwerfungsdokument für die Christlichen Gewerkschaften zu unterschreiben; er wurde deshalb aller seiner Ämter enthoben. Vergeblich versuchte er dem bedrohlichen Zugriff der Nationalsozialisten auf die Gewerkschaftsbewegung durch die Gründung einer Einheitsgewerkschaft zuvorzukommen. Dabei arbeitete er eng und im Geheimen mit Wilhelm Leuschner von den sozialistischen Gewerkschaften zusammen. Daraus entstand ein Widerstandskreis, in dem die Idee der Einheitsgewerkschaft verfolgt wurde. Jakob Kaiser galt den Machthabern als verdächtig und musste 1938 sieben Monate Gestapohaft erdulden.

Mit Leuschner und anderen Gewerkschaftern schloss er sich den Männern der Widerstandsgruppe an, die am 20. Juli 1944 den Umsturzversuch wagten und unglücklicherweise scheiterten. Am Tag darauf erschien Jakob Kaiser bei Wilhelm Leuschner und riet ihm dringend, sofort unterzutauchen und bot ihm ein vorbereitetes Versteck im Norden Berlins an. Leuschner lehnte ab, wurde wenig später verhaftet und am 29. September 1944 hingerichtet. Jakob Kaiser konnte sich bei Freunden in Babelsberg bei Potsdam verbergen, hielt sich dort 10 Monate im Keller eines Siedlungshauses verborgen, bis sowjetische Truppen Berlin befreiten.

 

5. Der Mitbegründer der CDU – Brückenbauer zwischen Ost und West

Unmittelbar nach Kriegsschluss, 1945, gehörte Jakob Kaiser zu den Mitbegründern der CDU in Berlin, deren Vorsitz er im Dezember für Berlin und die sowjetische Besatzungszone übernahm. Sein Versuch, in der SBZ einer nach demokratischen Grundsätzen aufgebaute CDU eine wenigstens bescheidene Wirkungsmöglichkeit zu schaffen, scheiterte am Widerstand der sowjetischen Besatzungsmacht.

Kaiser entschied sich für den Westen, hoffte von da aus eine Brücke zwischen Ost und West zu schlagen, die zu betreten sich in Folge die Sowjets weigerten. So widmete er sich dem Aufbau eines freiheitlichen Deutschlands, wie es die drei westlichen Siegermächte anboten. Im Parlamentarischen Rat vertrat Jakob Kaiser Berlin, wirkte also mit an der Ausarbeitung des Grundgesetzes; im Bundestag vertrat er den Wahlkreis Essen. In der Union selbst übernahm er 1949 die Führung der Sozialausschüsse, 1950 den stellvertretenden Bundesvorsitz, ebenfalls 1950 gründete er die Exil-CDU in der der legale Hauptvorstand seiner Zonenpartei weiterarbeitete.

Auf seine Initiative entstand 1954 das Kuratorium Unteilbares Deutschland, Jakob Kaiser verstand es als eine überparteiliche Volksbewegung, die die Wiedervereinigung zum Ziel hatte. In Adenauers Kabinett übernahm Kaiser das Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen.

Adenauer und Kaiser jedoch waren und blieben gegensätzlich, nur bedingt ergänzten sie sich. Der soziale Neubau der bundesrepublikanischen Gesellschaft ist ohne Kaisers Vision kaum vorstellbar, und die Westbindung der BRD wäre schwer durchsetzbar gewesen und ohne Kaisers Glaubwürdigkeit im Festhalten an die Einheit der Nation.

Anfang 1957 erlitt er einen ersten Schlaganfall. Obwohl er sich eigentlich schonen sollte, arbeitete er politisch weiter. Im April 1957 bekam er einen zweiten Schlaganfall, der ihn gelähmt ans Bett fesselte. Von nun an musste er das politische Geschehen vom Krankenbett aus verfolgen. Kurz vor seinem Tod forderte er noch einmal: Vergesst die Zone nicht. Er starb am 07. Mai 1961; den Bau der Mauer am 31. August 1961 brauchte er nicht mehr zu erleben.

 

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