Jakob Kaiser
1894 – 1901
Volksschule in Hammelburg
1901 – 1904
Buchbinderlehre beim Vater mit Gesellenprüfung als Abschluss
1904
Buchbinderfachschule in Schwiebus/Schlesien; Eintritt in den
Gesellenverein Adolf Kolpings
1904 – 1912
Buchbindergeselle in Hammelburg, Feldkirch/Vorarlberg;
seit 1906 in Nürnberg; seit 1906 Mitgliedschaft im Graphischen
Zentralverband der Christlichen Gewerkschaften in Nürnberg
sowie im Volksverein für das katholische Deutschland
1908 – 1910
Militärdienst
1912
Teilnahme am Großen Kurs des Volksvereins für das
katholische Deutschland in Mönchen-Gladbach; danach
Wahl zum Sekretär des Kölner Kartells der Christlichen
Gewerkschaften
1913
als Arbeitervertreter Mitglied des Vorstands der Kölner
Zentrumspartei
1914 – 1917
Kriegsdienst an der West- und Ostfront; danach Wiederauf-
nahme seiner Funktionen als Leiter des Kölner Kartells der
Christlichen Gewerkschaften (in Verbindung mit Aufgaben für
das Kriegsernährungsamt Berlin)
1918
Jugendleiter der Christlichen Gewerkschaften; Stellvertretender
Vorsitzender der Zentrumspartei Köln; Mitglied des Arbeiter-
Soldatenrats Köln; Heirat mit Therese Mohr (1889 – 1952)
1919
seit Juli Geschäftsführer am Generalsekretariat der Christlichen
Gewerkschaften in Berlin
1924
Landesgeschäftsführer der Christlichen Gewerkschaften für
Rheinland und Westfalen
1925
Einrichtung des Bildungs- und Erholungsheims "Unser Haus"
in Königswinter (das spätere "Adam-Stegerwald-Haus")
1928
Mitglied des Geschäftsführenden Reichsvorstandes der
Deutschen Zentrumspartei
1933
im März Reichstagsabgeordneter
1934 – 1944
Zusammen mit Wilhelm Leuschner und Max Habermann
(seit 1935) Organisierung des antifaschistischen Widerstandes;
Paßentzug; Einsatz für ehemalige Gewerkschaftskollegen
1938
mehrmonatige Haft
1945
Mitbegründer und erster Vorsitzender der CDU der Sowjeti-
schen Besatzungszone Deutschlands
1947
am 20. Dezember Enthebung vom Amt des CDU Vorsitzenden
1948/49
Mitglied des Parlamentarischen Rates
1949
Vorsitzender der Sozialausschüsse der CDU
1949 – 1957
Mitglied des Deutschen Bundestages; Bundesminister für ge-
samtdeutsche Fragen; stellvertretender Vorsitzender der CDU
1950
Gründer und Vorsitzender der Exil-CDU
1953
Heirat mit Dr. Elfriede Nebgen (1890 – 1983)
1954
Gründung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland
1958
Ehrenbürger von Berlin und Homburg/Saar
07. Mai 1961
gestorben in Berlin
1. Kindheit und Jugend
Jakob Kaiser wurde am 08. Februar 1888
in Hammelburg geboren, als zweitältestes Kind von Johann und Elisabeth Kaiser;
das Ehepaar hatte 10 Kinder, 5 Knaben und 5 Mädchen. Sein Vater war
Buchbindermeister und Stadtkämmerer, zudem ein enger Vertrauter des 1900 nach
Hammelburg gekommenen Kaplans und späteren Stadtpfarrers Johannes Martin.
Der kleine
Jakob wuchs in einem katholischen Umfeld auf, und in seinem christlich geprägten
Elternhaus lernte er früh Verantwortung für seine Mitmenschen und für sich zu
übernehmen. O. e. Kaplan Johannes Martin festigte die wirtschaftlichen Verhältnisse
vieler Hammelburger Familien, indem er einen Darlehenskassenverein, einen
Obstbauverein und eine Winzer- und Lagergenossenschaft gründete. Jakobs Vater
war lange Jahre Vizepräses und Kassenverwalter des katholischen
Gesellenvereins; somit kam der Sohn früh mit dem Kolpingverein in Kontakt und
wurde von der Mitarbeit darin weitgehend geprägt. Dieses Miterleben sozialer
Hilfe blieb für ihn ein ganzes Leben lang richtungsweisend.
Als sehr guter
Schüler schickten seine Eltern Jakob auf die Hammelburger Lateinschule, die er
jedoch nach drei Monaten verließ, weil er mit seinem Lehrer über eine
historische Frage in Streit geriet. Dabei setzte der Lehrer die Arbeit seines
Vaters so sehr herab, dass sich Jakob maßlos ärgerte und beschloss, die Schule
nie wieder zu besuchen. Somit absolvierte Jakob die Volksschule und eine dreijährige
Fortbildungsschule mit ausgezeichneten Ergebnissen. Danach erlernte er im
heimatlichen Betrieb das Buchbinderhandwerk.
2. Wanderschaft
1904 – nach
dreijähriger Lehrzeit – verließ Jakob Kaiser seine Heimatstadt und ging nach
Schwiebus (Schlesien); da gab es eine Buchbinderfachschule, und dort trat er
ebenfalls in den Gesellenverein ein. Nach eineinhalb Jahren Ausbildung zog er
nach Feldkirch in Vorarlberg, und wieder ein Jahr später, 1906, kam er nach Nürnberg.
Dort arbeitete er in der Großbuchbinderei Arndt und Kaltmaier. In der zunächst
fremden Großstadt fand er Geborgenheit und Rückhalt natürlich im
Kolpingverein. Jakob Kaiser spürte sehr schnell, dass neben der Bildungs- und
Schulungsarbeit im Gesellenverein zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse
vor allem auch den Gewerkschaften eine bedeutende Aufgabe zukommt. So trat er
1906 in Nürnberg den christlichen Gewerkschaften bei, und zwar dem Grafischen
Zentralverband.
3. Der Gewerkschafter
Während
seiner Militärzeit von 1908 – 1910 reifte wohl in Jakob Kaiser der
Entschluss, sich voll und ganz in die Christlichen Gewerkschaften einzubringen,
um die sozialen Probleme im Staat zu lösen. 1912 – er war inzwischen
Buchbindermeister – meldete er sich für einen speziellen Gewerkschaftskurs in
Mönchengladbach an. Dort lernte er unter anderem den Generalsekretär der
Christlichen Gewerkschaften Adam Stegerwald kennen, mit dem er in Zukunft noch
viel zu tun haben sollte. Jakob Kaiser fiel bei diesem Kurs durch sein
besonderes Interesse und seine hervorragenden Leistungen auf, so dass er vom Kölner
Kartell der Christlichen Gewerkschaften gebeten wurde, einen Vortrag zu halten.
Jakob Kaiser überzeugte so sehr, dass er in Köln zum Kartellsekretär gewählt
wurde, und damit ging sein Wunsch in Erfüllung: Aus dem Handwerk wurde ein
hauptberuflicher Gewerkschafter, der sein Leben ganz in den Dienst der
Arbeiterschaft stellte.
Nach dem 1.
Weltkrieg, an dem Jakob Kaiser teilnehmen musste (er erlitt zwei Verwundungen
und erhielt wegen seinen tapferen Einsätzen mehrere Auszeichnungen, u. a. EK I
und EK II), wurde Jakob Kaiser 1918 Geschäftsführer des Gesamtverbandes der
Christlichen Gewerkschaften, zunächst in Köln und seit 1921 in Berlin. Von
1924 – 1933 war er wieder in Köln und leitete die Landesgeschäftsstelle der
Christlichen Gewerkschaften für Westdeutschland. So war Jakob Kaiser zusammen
mit Adam Stegerwald deren führender Repräsentant.
4. Der Widerstandskämpfer
Jakob Kaiser
war Mitglied der Zentrumspartei, und bei den schon nicht mehr ganz freien Wahlen
zum Reichstag am 05. März konnte er ein Mandat gewinnen. Das Mitglied des
Reichstages Jakob Kaiser, das sich nach langem inneren Ringen wider besserer
Einsicht der Fraktionsdisziplin unterwarf, stimmte am 16. März 1933 für das
Ermächtigungsgesetz; er wird diese bittere Erfahrung niemals vergessen. Noch im
selben Jahr weigerte er sich das von den Nazis geforderte Unterwerfungsdokument
für die Christlichen Gewerkschaften zu unterschreiben; er wurde deshalb aller
seiner Ämter enthoben. Vergeblich versuchte er dem bedrohlichen Zugriff der
Nationalsozialisten auf die Gewerkschaftsbewegung durch die Gründung einer
Einheitsgewerkschaft zuvorzukommen. Dabei arbeitete er eng und im Geheimen mit
Wilhelm Leuschner von den sozialistischen Gewerkschaften zusammen. Daraus
entstand ein Widerstandskreis, in dem die Idee der Einheitsgewerkschaft verfolgt
wurde. Jakob Kaiser galt den Machthabern als verdächtig und musste 1938 sieben
Monate Gestapohaft erdulden.
Mit Leuschner
und anderen Gewerkschaftern schloss er sich den Männern der Widerstandsgruppe
an, die am 20. Juli 1944 den Umsturzversuch wagten und unglücklicherweise
scheiterten. Am Tag darauf erschien Jakob Kaiser bei Wilhelm Leuschner und riet
ihm dringend, sofort unterzutauchen und bot ihm ein vorbereitetes Versteck im
Norden Berlins an. Leuschner lehnte ab, wurde wenig später verhaftet und am 29.
September 1944 hingerichtet. Jakob Kaiser konnte sich bei Freunden in Babelsberg
bei Potsdam verbergen, hielt sich dort 10 Monate im Keller eines Siedlungshauses
verborgen, bis sowjetische Truppen Berlin befreiten.
5. Der Mitbegründer der CDU – Brückenbauer
zwischen Ost und West
Unmittelbar nach Kriegsschluss, 1945,
gehörte Jakob Kaiser zu den Mitbegründern der CDU in Berlin, deren Vorsitz er
im Dezember für Berlin und die sowjetische Besatzungszone übernahm. Sein
Versuch, in der SBZ einer nach demokratischen Grundsätzen aufgebaute CDU eine
wenigstens bescheidene Wirkungsmöglichkeit zu schaffen, scheiterte am
Widerstand der sowjetischen Besatzungsmacht.
Kaiser
entschied sich für den Westen, hoffte von da aus eine Brücke zwischen Ost und
West zu schlagen, die zu betreten sich in Folge die Sowjets weigerten. So
widmete er sich dem Aufbau eines freiheitlichen Deutschlands, wie es die drei
westlichen Siegermächte anboten. Im Parlamentarischen Rat vertrat Jakob Kaiser
Berlin, wirkte also mit an der Ausarbeitung des Grundgesetzes; im Bundestag
vertrat er den Wahlkreis Essen. In der Union selbst übernahm er 1949 die Führung
der Sozialausschüsse, 1950 den stellvertretenden Bundesvorsitz, ebenfalls 1950
gründete er die Exil-CDU in der der legale Hauptvorstand seiner Zonenpartei
weiterarbeitete.
Auf seine
Initiative entstand 1954 das Kuratorium Unteilbares Deutschland, Jakob Kaiser
verstand es als eine überparteiliche Volksbewegung, die die Wiedervereinigung
zum Ziel hatte. In Adenauers Kabinett übernahm Kaiser das Ministerium für
Gesamtdeutsche Fragen.
Adenauer und
Kaiser jedoch waren und blieben gegensätzlich, nur bedingt ergänzten sie sich.
Der soziale Neubau der bundesrepublikanischen Gesellschaft ist ohne Kaisers
Vision kaum vorstellbar, und die Westbindung der BRD wäre schwer durchsetzbar
gewesen und ohne Kaisers Glaubwürdigkeit im Festhalten an die Einheit der
Nation.
Anfang 1957 erlitt er einen ersten Schlaganfall. Obwohl er sich eigentlich schonen sollte, arbeitete er politisch weiter. Im April 1957 bekam er einen zweiten Schlaganfall, der ihn gelähmt ans Bett fesselte. Von nun an musste er das politische Geschehen vom Krankenbett aus verfolgen. Kurz vor seinem Tod forderte er noch einmal: Vergesst die Zone nicht. Er starb am 07. Mai 1961; den Bau der Mauer am 31. August 1961 brauchte er nicht mehr zu erleben.